Bei der Eröffnung des HammerClubs Pforzheim
Pforzheim, als „Goldstadt“ bekannt, hat an diesem Wochenende die blassere und manchmal – zu Unrecht – geringer geachtete Schwester dieses edlen Metalls zu Gast, das Silber. Und zwar in seiner edelsten Form, dem von Silberschmieden handwerklich gestalteten Einzelstück. Dass es dieses immer noch gibt, dass sich immer noch junge Leute entschließen, das Handwerk des Silberschmieds zu erlernen, ist eigentlich verwunderlich. SWR 2, also der Südwestrundfunk, hat vor einigen Wochen (5.3.) seine sonntägliche Matinee unter der Überschrift „Glänzend herausgeputzt“ dem Thema Silber gewidmet. Darin hat man einiges über den Silberbergbau erfahren, über die Bedeutung des Silbers für die Fotografie und in der Technik, auch über altes Silber, wozu eine Hamburger Händlerin interviewt wurde. Das mag in Ordnung sein, denn Hamburg und Silber, das ist eine traditionsreiche Verbindung, die zu dieser Handels- und Kaufmannsstadt passt. Von modernem, von zeitgenössischem Silber war in der Sendung nicht die Rede. Dabei hätte es im Südwesten durchaus Anknüpfungspunkte gegeben; man hätte Schwäbisch Gmünd erwähnen können – oder Pforzheim mit der Goldschmiedeschule und der Fachhochschule, die zu den auch international bedeutenden Ausbildungsstätten gehören und Schüler und Studenten von weither anziehen und damit zum Fortbestehen auch der Silberschmiedekunst einen wichtigen Beitrag leisten. Das wird deutlich, wenn man seinen Blick hier in die Runde der Gäste schweifen lässt.
Sie haben sich eingefunden, weil der Hammerclub, eine lose Vereinigung von Silberschmieden und Freunden ihrer Kunst, die sich – nicht zufällig gerade in Hamburg – 2002 zum ersten Mal zusammengefunden hat, dieses Jahr Pforzheim als Ort ihres Treffens gewählt hat. Seit einigen Jahren gehört eine Ausstellung, in der die anwesenden Silberschmiede aktuelle Arbeiten zeigen, zum Programm dieser Zusammenkünfte. Manchmal wird ihnen ein – in der Regel sehr weit gefasstes – Thema oder auch nur ein Stichwort vorgegeben, das sie locken soll, Neues auszuprobieren. Diesmal ist das Motto, dem Veranstaltungsort und der 250jährigen Geschichte seiner Traditionsindustrie verpflichtet und lautet Jubilee; da der Hammerclub international vernetzt ist, haben die Verantwortlichen es auf Englisch formuliert und damit zum Ausdruck gebracht, dass das Jubiläum als ein Freudenfest auszustatten sei. Man mag dabei an eine festliche Tafel denken, zu der selbstverständlich silbernes Besteck und Gerät gehört. Sie werden es, meine Damen und Herren, in der Ausstellung finden. Sie werden aber auch bemerken, dass das Stichwort – in dem für unsere Ohren jubilieren mitklingt – noch andere Assoziationen zulässt. Das Thema ist, wie gesagt, weit gefasst, und das Verdikt: „Thema verfehlt“, gibt es nicht.
Sie werden gleich 45 Beiträge besichtigen können. Sie alle einzeln vorzustellen, würde den Rahmen dieser Einführung sprengen. Ich greife, um die Vielfalt der Einreichungen zu deutlich zu machen, einige exemplarisch heraus, ohne damit eine Wertung zu verbinden.
Lassen Sie mich zuerst auf den Namen der Vereinigung zurückkommen, die sich hier versammelt. Der Name Hammerclub ist Programm. Er verweist auf die klassischen Arbeitsweisen des Silberschmieds, das Auftiefen und Aufziehen, wofür eine Vielzahl unterschiedlicher Hämmer zum Einsatz kommt. Wie das geht, können Sie am Stand vor diesem Gebäude verfolgen, wo eine silberne Schale geschmiedet wird. Allan Scharff aus Dänemark ist ebenso wie Georges Cuyvers aus Belgien ein konsequenter Verfechter dieser Verfahren. Beide haben für ihre hier ausgestellten Arbeiten Feinsilber (999/000) verwendet, das weicher ist als das übliche, mit geringem Kupferanteil legierte Silber (800/000 bis 935/000) und erst durch die bei der Hammerarbeit auftretenden Veränderungen im kristallinischen Gefüge des Metalls Festigkeit erhält. Scharff und Cuyvers lassen diese Arbeitsspuren bewusst stehen und betonen so die skulpturale Qualität ihrer Gefäße. Am Gefäß halten sie, wie viele der hier anwesenden Silberschmiede fest, fassen den Begriff aber weiter oder grundsätzlicher. Es gibt noch die vertrauten Typen: Schalen, Kannen, Töpfe, Dosen , Becher usw. Sie begegnen ihnen in einer aktuellen Formensprache z. B. in den Arbeiten von Ulla und Martin Kaufmann oder Yu-Chun Chang und Daphne Spiegel. Daneben gibt es Gefäße, die diesen vertrauten Formenkanon verlassen und sich als offene Formen verstehen, die etwas enthalten oder darbieten können, wobei dieses Etwas, dieser Inhalt sich nicht materiell konkretisieren muss. Das Gefäß als Skulptur, Form, die sich selbst genug ist, ihren dienenden Charakter abgelegt hat. Die Arbeiten von Allan Scharff und Georges Cuyvers habe ich schon erwähnt. Die Doppelschalen von Barbara Amstutz und Achim Heinkel , die zwei Hohlräume durch fließende Bewegung miteinander in Beziehung setzen, sollen in diesem Zusammenhang noch genannt werden.
Ich habe schon darauf hingewiesen, dass einige der ausgestellten Stücke aus Feinsilber gefertigt wurden. In den meisten Fällen wird für Schalen, Kannen, Besteck, Leuchter usw., alles, was einer festlichen Tafel Glanz verleiht, Sterlingsilber (925/000) verwendet. Glatte, polierte Oberflächen, die lange Zeit für modernes Silber charakteristisch waren, werden schon seit einigen Jahren von einer neuen Freude an plastisch bewegten Oberflächen zurückgedrängt. Adolf Loos‘ Verdammung des Ornaments als Verbrechen scheint nach 100 Jahren endgültig obsolet geworden zu sein. Neben vertrauten Ziertechniken wie dem von Frieda Dörfer gepflegten Guillochieren gewinnen außereuropäische Vorbilder, besonders solche aus dem Fernen Osten an Bedeutung. Batho Gündra hat das japanische mokume-gane für sich entdeckt, Yuki Ferdinandsen überträgt den arare-Dekor von traditionellen gusseisernen Teekannen auf moderne silberne Gefäße. Sigi Wiedemann schließlich macht sich über die schmucklosen Formen lustig, indem er die planierte Oberfläche seiner aus Feinsilber aufgezogenen Obstschale, Spuren des Gebrauchs vorwegnehmend, mit einer gravierten Fliege verziert.
Mag auch ein großer Teil der ausgestellten Arbeiten aus Silber bestehen, so ist der Hammerclub doch keine Vereinigung von Materialfetischisten und Silberdogmatikern. Das zeigt sich schon an Bechern von Johanna-Katharina Kinast und Paul Derrez, die das edle Metall mit Kunststoff kombinieren, oder von Philipp Gröninger, der Silber und Bronze nebeneinander verwendet.
Gläser mit Metallmontierungen zu versehen, ist keine neue Erfindung. Nicht erst im Jugendstil gibt es dafür reizvolle Beispiele; zu ihnen zählen etwa Gläser der Gebrüder Daum aus Nancy, die der Heidelberger Goldschmied Nikolaus Trübnerin den 1890er Jahren in Silber gefasst hat. Bei Bowlengefäßen ist diese Kombination häufig. Eine moderne Variante hat Nicole Dostal mitgebracht. Wie sie an der Zeichenakademie in Hanau ausgebildet sind Lara Herrmann und Catharina Rother, die für das Thema Laterne, bei dem Glas und Metall beinahe unvermeidlich zusammengehören, originelle spielerische Lösungen gefunden haben, indem sie gebrauchten Flaschen, statt sie in den Altglascontainer zu werfen, eine neue, in die Zukunft leuchtende Rolle zuweisen. Andere Teilnehmer der Ausstellung entfernen sich noch weiter vom traditionellen Materialkanon: Andreas Decker etwa greift zu Aluminium, das er mit verschiedenen Hämmern bearbeitet und mit Polymerlacken bunt bemalt hat, um ein Bouquet für Miss Nicegarden zu binden. Mara Schindler nimmt für ihr Schalenset Messing, das sie farbig lackiert. Michael Pfisters Schale besteht aus Streifen federnder Edelstahlbleche, die mit winzigen Silbernieten verbunden sind. Ganz auf Silber verzichtet Pfister also nicht, so wenig wie Thomas Raschke, der aus Eisendraht eine maßstabsgetreue, scheinbar computergenerierte dreidimensionale Zeichnung einer Thermoskanne gefertigt hat; die Drähte sind mit Silberlot verbunden. Schließlich sei noch Margarete Hoss mit ihrem Feuerball aus Aluminiumdrähten erwähnt.
Manche von Ihnen, meine Damen und Herren, werden bei dem Titel Feuerball vielleicht an James Bond denken, Dutzende weiterer Assoziationen sind möglich. Warum nicht auch ein Freudenfeuerwerk zur Musik von Georg Friedrich Händel? Das würde, wie der filigrane silberne Blumenstrauß von Maja Houtman zu dem festlichen Anlass passen, aus dem Sie sich heute zusammen mit den zahlreichen gratulierenden Silberschmieden hier eingefunden haben. Diese Gratulanten, die zum Teil von weither angereist sind, haben dem Geburtstagskind Goldstadt eine Fülle von Präsenten mitgebracht, weit mehr, als ich in einer kurzen Einführung aufzählen kann.
Heimischen Silberschmieden blieb es vorbehalten, daran zu erinnern, dass Pforzheims wechselvolle Geschichte auch dunkle Seiten kennt. Andreas Frank, der ausrangierte Presswerkzeuge mit Silber zu Leuchtern für die Festtafel verbindet, erinnert an die Tradition der Pforzheimer Schmuckindustrie. Achim Heinkels zum Teil geschwärzte Doppelschale will auf die Abhängigkeit des Friedens vom Bewahren der Geschichte verweisen, indem sie zwei schreckliche Ereignisse des Luftkriegs in Erinnerung ruft und aufeinander bezieht, der Zerstörung der baskischen Stadt Gernika durch die deutsche Legion Condor vor gerade 80 Jahren, im April 1937, und die Pforzheims durch die Royal Airforce im Februar 1945. Vor solcher Erinnerung wagt Hansjörg Merkle einen optimistischen Ausblick mit Zwei schrägen Typen, etwas aus dem Lot geratenen silbernen Bechern, die, ganz im Sinn des Hammerclubs und seiner grenzüberschreitenden Verbindungen, dazu auffordern, „zusammenzurücken, die Becher zu füllen und gegen Mauern und Zäune anzufeiern“.
Diese Aufforderung kann man auch Tony Dumon Taks Kelch entnehmen, der nach Auskunft seines Machers den Inhalt einer Weinflasche zu fassen vermag und sich wie der ein ähnliches Fassungsvermögen aufweisende „Jubel-Becher“ von Tobias Mendoza, einem der Preisträger der aktuellen Silbertriennale, als Willkomm eignet, einem jener voluminösen Trinkgefäße, die einem zu ehrenden Gast oder Würdenträger an fürstlichen Höfen, aber auch bei der Zusammenkunft von Zünften zur Begrüßung gereicht wurden und dann die Runde machten.
Die Sparkasse Pforzheim-Calw hat für Sie, ihre Gäste, ebenfalls einen Willkommenstrunk vorbereitet. Ihn nicht aus mächtigen Humpen, nicht einmal aus silbernen Bechern, sondern wie heute üblich aus zierlichen Gläsern zu genießen, will ich Sie nicht länger aufhalten und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Peter Schmitt (Karlsruhe), 5. Mai 2017